Schauspiel

Kleines Haus

Nathan der Weise

Ein Weichmacher für den Glaubenspanzer
von Gintersdorfer/Klaßen nach Lessing
Regie: Monika Gintersdorfer

„Seit den Attentaten in Frankreich erwähne ich, wenn ich mich irgendwo vorstelle, dass ich Jüdin bin. Ich tue es aus Solidarität, weil Juden in Europa wieder angegriffen werden.“ (Gila Lustiger) — Die Diskussionen verstummen nicht, ob eine Religion (Islam) zu einer Nation (BRD) gehört oder nicht. Es ist, als ob die alttestamentarische Einheit von Volk, Nation, Territorium, Glaube und Prophet in vielen Köpfen noch nicht überwunden ist. Glauben ist nicht nur rituelle Prax­is, sondern auch Denksystem, philosophisches Welterklärungsmodell, das nach innen als Sinn- und Identitätsstifter fungiert. Nach außen wirkt Religion wie ein Zeichen, das Rückschlüsse über die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen zulässt. Nathan nimmt sich viel Zeit, zwischen diesem Innen und Außen zu vermitteln. Um ins Gespräch zu kommen, wird spekulativ argumentiert, denn die Innenwelt des Gegenübers ist unbekannt. Und genau dieses Spekulative überführen Gintersdorfer/Klaßen in ihr Diskurstheater zu Lessings aufklärerischem Werk. Angehörige der drei großen Schriftreligionen machen den Versuch, die uns trennende, von Herkunft und Religion geprägte Identität in körperliche Exerzitien aufzuweichen, bis die reale oder nur vorgestellte Differenz schmilzt.