Call and Response: Über Individualität und Gemeinschaft, Spaß und Verantwortung
Beschwingt aus Hello, Dolly! raus vor’s Theater: Swing Man Tau lädt am Sonntag zum Tanzen ein. Pressesprecherin Diana König hat mit Eléna Wendt, Trainerin bei Swing Man Tau, über diese besondere Art zu tanzen gesprochen.
Am Sonntag lädt Swing Man Tau, ein Bremer Swing Verein, im Anschluss an die Vorstellung Hello, Dolly! zum Tanzen auf den Goetheplatz ein. Das ist nicht das erste Mal, dass Sie nach einer Vorstellung einen Swingout anbieten, wie läuft das ab?
Eléna Wendt: Wir machen erstmal einen Crashkurs mit den Menschen, die da sind, damit die Leute ein Gefühl dafür bekommen, wie man zu zweit zu Jazz tanzt. Und dann gibt es einen sogenannten „Social“ bei dem man das anwenden kann, was man gerade gelernt hat. Und natürlich auch bei den etwas erfahrenen Tänzer:innen zugucken kann, was es noch so für Moves gibt – das ist ganz aufregend am Anfang.
Muss man denn irgendwas können, um mitzumachen?
Nein, muss man nicht. Was hilft, ist, wenn man die Musik mag.
Zu Jazz tanzen – das kommt mir nicht unmittelbar leicht vor.
Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass Jazz so ein bisschen ein Flair hat von verrauchten Kammern in denen Menschen sitzen, die seriös gucken und nicken und manchmal applaudieren. Aber die Wurzeln des Jazz liegen in der afroamerikanischen Kultur, in der Rhythmus sehr wichtig ist und eigentlich müsste man zu Jazz immer tanzen können … wenn man Louis Armstrong oder Ella Fitzgerald hört, ist der Rhythmus ziemlich klar. Da passiert es fast von selbst, dass der Körper sich bewegt, man mit dem Fuß wippt oder eben nickt.
Ist dann Nicken schon fast Tanzen?
Nicken ist auf jeden Fall tanzen. Also, wenn man im Rhythmus nickt, meine ich.
Kann man auch ohne Tanzpartner:in kommen?
Auf jeden Fall.
Entstanden ist der Swing aus der Schwarzen Musik- und Tanzszene, er ist eng mit dem Jazz verbunden und hat seine Wurzeln in den 1920er und 1930er Jahren in den USA – können Sie uns ein bisschen zur Geschichte erzählen?
Klar, wie lange ist Zeit? Kurz versucht zusammenzufassen: Jazz ist Anfang des 20. Jahrhunderts in New Orleans entstanden, stark geprägt von afroamerikanischen Musiktraditionen – also Blues, Spirituals, Ragtime, Brass Bands und westafrikanischen Rhythmen. Als viele Afroamerikaner:innen ab 1915 in den Norden migrierten, wurde Harlem zum kulturellen Zentrum, die Harlem Renaissance begann. Daraus entstanden Tänze wie Charleston und Black Bottom. In den 1930ern tanzte man dann zu Big Bands in riesigen Ballsälen – das ist auch die Musik, zu der wir heute tanzen. Berühmt ist zum Beispiel der Savoy Ballroom, wo Lindy Hop Stars wie Frankie Manning und Norma Miller getanzt haben. Besonders war, dass dort Schwarze und weiße Menschen gemeinsam tanzen durften. Seit den 1980ern wird in Europa Swing getanzt, aber erst seit dem Mord an George Floyd wird ernsthaft darüber gesprochen, dass dieser Tanz aus der Schwarzen Kultur kommt. Gerade hier in Europa, auch in Bremen, tanzen fast nur weiße Menschen. Seit 2020 beschäftigen wir uns stärker mit dieser Geschichte – auch wenn uns manchmal vorgeworfen wird, wir seien zu politisch. Aber ich finde, man kann Spaß haben und trotzdem die Geschichte und die politischen Dimensionen ernst nehmen.
Ähnlich wie beim Jazz gibt es im Swing Platz für Improvisation, richtig?
Das macht es aus und dabei sind wir auch wieder bei seiner Geschichte und seinen Wurzeln. Die Werte, die im Swing unter anderem wichtig sind, sind Freiheit, Improvisation und Call and Response. Wir machen hier nichts allein: Ich mache zwar mein Ding und zeige meine Individualität und Emotionalität, bin aber immer im Austausch mit meinen Tanzpartner:innen, warte auf deren Antwort Es ist verpönt, genau das Gleiche zu machen, wie die Person neben dir, denn dann wirst du als unauthentisch gesehen – was ja irgendwie auch stimmt. Egal wie subtil, dein eigener Touch muss dabei sein.
Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten des Swing – welche sind denn am Leichtesten zu lernen? Womit fangen Sie auf dem Goetheplatz an?
Häufig fangen wir mit den Jig-Walks an, die sind schon ziemlich leicht. Das ist ein Rhythmus, den kann man gut allein machen oder auch zu zweit.
Wie lange tanzen Sie schon?
Ich tanze schon seit sechs Jahren. Das ist für mich wirklich eine große Passion. Man hört auf die Musik, auf den Rhythmus, man schaut auf das Gegenüber. Und man muss seinen Körper gut kennen, die Bewegung im Körper finden. Das ist eine Forschung nach der eigenen authentischen Bewegung (Move). Und das befördert die Swing-Kultur eben total, dieses Suchen nach Authentizität – auch wenn sich für mich eine Bewegung erstmal komisch anfühlt, erkennen die anderen, wenn ich dabei trotzdem voll authentisch bin und das wird gefeiert.
Warum sollte man am Sonntag kommen?
Um Spaß zu haben, ganz einfach. Und um neue Leute kennenzulernen – denn es ist ein social dance. Man performt nicht etwas, sondern ist mit anderen zusammen.
Eléna Wendt ist Schulassistentin, 32 Jahre alt, in Frankreich geboren und lebt seit sechs Jahren in Bremen. Bei Swing Man Tau ist sie Gründungsmitglied (2022) und Trainerin.
Veröffentlicht am 25. Juni 2025.