„Ein großer Mensch ist gegangen“
Stimmen aus dem Theater und dessen Umkreis zum Tod des Intendanten Michael Börgerding.
„Michael hat geholfen und gut zugeschaut, ehrlich geantwortet und wirklich zugehört. Er hat ausgehalten dass es verschiedene Meinungen gibt und sie stehen lassen. Er konnte also das, was ein guter Pädagoge kann und ehrliche Kunstproduktion braucht. Ich hätte noch viel bei ihm lernen können. Ich werde Dich vermissen, Michael!“ Benedikt von Peter, Leitender Regisseur im Musiktheater am Theater Bremen von 2012–2015
„Michael und ich kennen einander 22 Jahre und sind schon einen langen Weg zusammen gegangen. Wir haben gemeinsam in Hamburg gearbeitet, im Thalia Theater, er kam häufig nach Rotterdam, als ich dort noch Leiterin am Ro-Theater war, und dann sind wir zusammen nach Bremen gegangen. Für mich ist Michael ein Menschen-Mensch, er liebt die Menschen, das Theater, er ist so treu. Er ist ein Herzensmensch. Es ist wichtig, dass man Menschen wie ihn in seinem Leben kennenlernt. Er ist ein Geschenk des Himmels, ein Geschenk für das Theater, ein Geschenk für uns. Ein großer Mensch ist gegangen.“ Alize Zandwijk, Hausregisseurin im Schauspiel am Theater Bremen
„Sein riesiges Herz ist nicht zu ersetzen. Für mich stand er ganz pauschal für das Gefühl einer ‚Großen Freiheit‘ und er hinterlässt in einer Zeit voller dumpfer Vereinfachung eine schreckliche Lücke.“ Schorsch Kamerun, Regisseur
„Seit der Spielzeit 21/22 darf ich am Theater Bremen so glücklich arbeiten und habe wirklich viel gelernt, und ohne Michael als Intendant hätte ich keine so erfüllende Zeit gehabt. Michael und ich schüttelten uns die Hände zum Erfolg beim letzten Projekt No Rain! in der vergangenen Spielzeit. Damals hatte ich unwillkürlich das Gefühl, dass sein Händedruck zu stark war. Lieber Michael, warum darf ich diesen ‚zu starken‘ Händedruck jetzt nicht mehr austauschen?“ Yu Sugimoto, Solorepetitor und 2. Kapellmeister am Theater Bremen
„Michael hat einmal bei einer Premierenrede zum Publikum gesagt, ‚Danke, dass Sie diese Zumutung angenommen haben‘. Damit war unsere Aufführung gemeint, im ersten Moment war ich etwas düpiert, aber ich weiß jetzt, dass Michael uns über viele Jahre so treu war und uns gewagte Dinge hat machen lassen. Themen, die für uns dringend waren, aber noch längst nicht in den gängigen Diskursen angelangt waren oder niemals dort ankommen würden. Dafür danke ich ihm so sehr, für diese Freiheiten und Möglichkeiten. Mindestens genauso wichtig war es, dass Michael sich immer dafür interessiert hat, wie es mir persönlich geht, oft ist ja Privates und Berufliches zutiefst miteinander verbunden, und ich konnte ihm wirklich vertrauen.“ Monika Gintersdorfer, Gintersdorfer/Klaßen und La Fleur
„‚Lieber Michael, ich hätte nie gedacht …‘, sind die Worte, die man benutzt, wenn einem die Worte fehlen und jemand so unerwartet aus dem Leben gerissen wird. ‚Pass auf dich auf‘ waren deine letzten persönlichen Worte an mich. Was so leicht daher gesagt scheint, hallt für mich jetzt wie ein Abschied nach. Du wirst mir fehlen! Du wirst dem Theater fehlen! Du wirst Bremen fehlen. So Unermessliches hast du geleistet für das Theater Bremen, dein Haus! Hast es aus einer schweren finanziellen Krise herausgeführt. Hast so viele unzählige besondere, innovative Theaterabende geschaffen, die nicht nur mir, sondern so vielen Menschen in Erinnerung bleiben werden. Ich danke dir, dass ich ein Teil davon sein durfte. Ich danke dir für deine Loyalität, deinen Mut und manchmal auch dein Zaudern. Ich danke dir für deine manchmal fast mürrisch anmutende Unaufgeregtheit. Ich danke dir für viele schöne und schwere Auseinandersetzungen, die wir miteinander hatten. Wie gern hätte ich dir nach deinem ‚Pass auf dich auf‘ dafür ‚Danke‘ gesagt. Es blieb bei einem Händedruck. Nun werden mir deine beschützenden Hände zutiefst fehlen. Pass auf dich auf, Michael!“ Christoph Heinrich, Sänger am Theater Bremen
„In tiefer Dankbarkeit – für jede Diskussion, jeden Rat, jeden Streit, für die Beharrlichkeit, für dein Zaudern, für viele Taten, deinen Mut, vor allem aber für deine schwer erschütterliche Ruhe.“ Josef Zschornack, Referent des Intendanten und Projektleiter am Theater Bremen
„Ich habe Michael 2005 als Studentin kennengelernt. An der Theaterakademie habe ich von ihm – durchaus auch schmerzlichn – gelernt, dass Theater beschreibbar in Form, Qualität, konzeptionellem Inhalt und Anliegen ist, aber immer auch vom Geschmack der zusehenden Person beurteilt wird. Er konnte so schnell Konzeptionen lesen und beschreiben – und sein persönliches Empfinden zum Gesehenen hat er nie verheimlicht. Als er zum Direktor der Theaterakademie Hamburg gewählt wurde, warteten meine Regieklasse und ich im Seminarraum mit einer Flasche Sekt und Pappbechern auf ihn. Er kam pünktlich und lächelte verschmitzt: 'Ach so, ihr freut euch. Wie toll!'
Als er mich als Intendant anrief und einlud nach Bremen zu kommen, freute ich mich. Sehr. Das Theater Bremen wurde mein Lieblingstheater. Sein Vertrauen in meine Arbeit hat mir Begegnungen und künstlerische Räume ermöglicht, für die ich sehr dankbar bin. Es war so schön, wenn wir uns einig waren und anstrengend, wenn wir stritten, aber auch dafür nahm er sich Zeit, weil es nicht egal war. Ich vermisse ihn sehr.“ Nina Mattenklotz, Regisseurin
„Wie kein anderer konnte Michael zuhören. In die Welt hinein. In die Gesellschaft und in die Kunst. In die Stadt Bremen, sein Theater und die Menschen. Dieses echte, wahre und zudem ehrliche Zuhören ist ein Ereignis, das gerade in Zeiten des permanenten Lärms selten und kostbar geworden ist. Darin liegt nicht nur die vollständige Akzeptanz des Anderen; also: Ich lasse den anderen in einer Weise an mich heran, dass er sich tatsächlich zeigen kann in seiner Fremdheit, seiner Andersartigkeit, seiner Schönheit, seiner Bosheit und seinem Schrecken. Sondern dieses Zuhören war Michaels Quell und treibende Kraft für sein einzigartiges, zeitgenössisches Geschichtenerzählen. Wie ein Seismograph hörte er täglich in unseren Wirklichkeitslärm hinein, angelte aus dem Trüben Fetzen, Geschichten, Lieder und blieb sich selbst immer treu. Hochachtungsvoll möchte ich meinem Hochschulprofessor, Generalintendanten, Kritiker und Förderer meinen unendlichen Dank aussprechen; und mit Paul Celan abschließen: ‚Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen.‘“ Paul-Georg Dittrich, Regisseur
„Lieber Michael,
heute haben sich so viele schöne Menschen versammelt, um sich von Dir zu verabschieden. Und da warst Du. Inmitten dieser Menschen, die durch Dich überhaupt zu einer Theaterfamilie wurden – einer ganz besonderen, weil sie aus so vielen zarten und zerbrechlichen Menschen besteht. Das vor allen Dingen ist für mich das Besondere: dass wir fragil sein durften und nie das Gegenteil behaupten mussten. Dass Schwäche kein Manko sein musste. Und dafür gilt mein Dank, Michael! Und diesen Geist tragen wir hoffentlich weiter. Bleibt die Frage, von wem ich jetzt meine Lesetipps erfrage.
Dein Marco“ Marco Štorman, Regisseur
Gesammelt ab dem 17. Januar 2025