How to Play: Patti Smith

Die Musikerinnen Romy Camerun und Maartje Teussink verantworten die Musik im Liederabend „Because The Night“. Der Dramaturg Jan Grosfeld hat mit ihnen über Theatermusik, Patti Smith und musikalische Verflechtungen gesprochen.

Jan Grosfeld: Romy und Maartje, ihr habt zusammen die musikalische Leitung von „Because The Night“ inne. Ihr seid beide Musikerinnen, die in verschiedensten Feldern arbeiten. Wie würdet ihr eure Aufgaben in dieser Produktion beschreiben?

Maartje Teussink: Ich bin als Komponistin in verschiedenen Disziplinen wie Theater und Film tätig, entwickle Scores und verantworte selbstständige Veröffentlichungen und Herausgaben. Im Prinzip geht es mir darum, die unterschiedlichsten Dinge zu tun, die mit Musik möglich sind. Für Because The Night habe ich hauptsächlich die Arrangements, Samples und das Sounddesign entwickelt, und gemeinsam mit Romy und dem ganzen Team die Instrumentationen und Besetzungen für die Songs festgelegt.

Romy Camerun: Ursprünglich war ich Jazzmusikerin und habe hauptsächlich gesungen. Das hat sich aber immer mehr auch auf das Klavier verlagert. Und durch einige Arbeiten (schönerweise) am Theater haben sich weitere Skills ausbilden müssen. Da Maartje überwiegend mit den elektronischen Musiken beschäftigt war, habe ich für Because The Night mehr mit den Musikerinnen Lea Baciulis und Christin Neddens gearbeitet und das, was live auf der Bühne passieren soll, zusammen mit dem Team vorbereitet.

Im Kontext von Schauspielinszenierungen hat Musik ja vermeintlich eine vor allem zudienende Funktion. In einem Liederabend mag dies noch einmal anders sein, nichtsdestotrotz würde ich erst einmal davon ausgehen, dass musikalische Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Theaters grundverschieden sind.

Romy Camerun: Absolut. Zumal man ja in Schauspielinszenierungen auch oft einfach nur halbe Lieder spielt, oder ein Lied nur anspielt, oder das Lied eigentlich gar nicht spielt, sondern vielmehr Bezug nimmt auf etwas. Die Musik ist ja mehr ein Kommentar. Sie ist Teil der Inszenierung wie das Bühnenbild. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber auch interessant!

Maartje Teussink: Die Mise-en-scène ist auch immer wichtig, also der Aufbau der Szene: Was passiert? Und wie antwortet man musikalisch? Das ist eigentlich die ganze Zeit eine Frage, die ganzen Proben lang.

Romy Camerun: Maartje macht ja auch viel mehr als ich diese richtigen Stücke. Bei der Dreigroschenoper ist die Musik klar, da ist sie auch im Vordergrund. Und im Woyzeck gewissermaßen auch. Hier bei Because The Night ist es wirklich eine hybride Sache. Das finde ich aber auch ganz toll an der Inszenierung. Dass sie einmal ein bisschen wie ein richtiges Konzert ist und sie dann aber auch durch Maartjes musikalische Flächen zum Raum wird. Das ist sehr vielschichtig. Und so ist die Tätigkeit eben auch vielschichtig.

Jetzt machen wir einen Patti-Smith-Liederabend. Welche Berührungspunkte mit Patti Smith gab es bisher für euch? Ehrlich gesagt, kannte ich vorher nur den Song „Because The Night“ …

Romy Camerun: (lacht) Das ging mir ganz genauso.

Und dann nähert man sich ja dieser Musik und dieser Künstlerin an...

Maartje Teussink: Mein Zugang waren eigentlich mehr die Bücher, die sie geschrieben hat – also Just Kids oder Collected Lyrics und diese Dinge –, weil ich Patti Smith erst einmal als Schriftstellerin kennengelernt habe. Danach habe ich erst begonnen, in die Musik reinzuhören. Ich denke, dass sie etwas so textbasiertes hat, dass sie wirklich wie eine musikalische Schriftstellerin denkt.

Romy Camerun: Sie ist eigentlich Dichterin.

Maartje Teussink: Dichterin, ja. Poesie – das war mein Zugang.

Romy Camerun: Ich habe zuerst das Hegemann-Buch Helene Hegemann über Patti Smith, Christoph Schlingensief, Anarchie und Tradition gelesen – was ja auch genial ist! – und dann habe ich angefangen, die Musik zu hören. Und dann habe ich mir ein Interview angesehen und war total bezaubert, wie freundlich, höflich und empathisch Patti Smith ist. So eine sympathische Person und dann diese knallharte Musik – das ist für mich solch ein Widerspruch, der mich einfach total für sie einnimmt!

Wie du sagtest, Romy, gibt es bereits in Patti Smiths Songs unzählige Querverweise. Und jetzt nehmen wir als Team eine weitere Querverweis-Ebene hinzu durch die Autorin Helene Hegemann und die Songs, die sie in ihrem Buch nennt, die wichtig sind für ihre Geschichte und ihre Erzählung über ihre verstorbene Mutter. Es kommen also Songs und Texte hinzu, die nicht von Patti Smith stammen.

Romy Camerun: Ich muss sagen, ich war zuerst total geschockt, als ich die Songs gesehen habe, besonders Bette Davis Eyes – excuse me… Aber dann habe ich mir auch das wieder angehört und fand es dann auch wieder cool und habe so gedacht: „Meine Güte, wir Jazzer, wir sind ja auch so voller Vorurteile und Snobismus. Das ist ja irgendwie wie ‚Alles unter Miles Davis ist Schrott!‘“ (lacht) Und dann hört man sich da rein und denkt sich da rein. Und mit dem Buch zusammen macht das ja auch alles Sinn!

Maartje Teussink: Was ich an der Playlist auch schön finde, ist, dass man merkt, dass Helene Hegemann Patti Smith eigentlich auch nicht gut kannte. Aber sie nähert sich Patti Smith über ihre Musik. Und dann sieht man auf Patti Smiths Zeit, auf eine junge Generation, die man durch die Augen von Helene Hegemann neu kennenlernt. Und diese Perspektive, diese Fantasie, dieses Neu-Erfahren bringt die Legende von Patti Smith neu ans Licht.

Romy Camerun: Und es trifft ja auch auf uns zu: Also ich kannte den Song Because The Night auch, darauf habe ich als junges zwanzigjähriges Mädchen auch getanzt. Ich wusste, dass ist Patti Smith, die da singt, fand ich auch gut – aber: end of story. So. Und jetzt gucke ich aber – obwohl ich im Alter näher an Patti Smith bin als an Helene Hegemann – durch Hegemanns Augen auf Patti Smith.

Für mich gibt es eine klare musikalische Handschrift, die ihr, Romy und Maartje, in den Abend mitbringt. Genauso wie dies auch Lea und Christin als weitere Livemusikerinnen tun. Ihr färbt die Musik ein, was ich gut und richtig finde. Wie würdet ihr beschreiben, was die Zuschauer:innen in der Inszenierung „Because The Night“ (musikalisch) erleben können?

Maartje Teussink: Ich glaube, dass das Publikum eingeladen wird, die Geschichte(n) von Patti Smith und Robert Mapplethorpe neu kennenzulernen, durch Texte als roter Faden und durch Musik als Schlüssel. In die (Liebes)Geschichte, die Zeit, New York City – da hinein wird man eingeladen.

Romy Camerun: Man kann sehen, wie wir als Team auf Patti Smith gucken. Man kann hören, wie wir auf Patti Smith gucken. Man kann hören, wie Helene Hegemann auf Patti Smith guckt. Man kann auch mal sehen, wie Christoph Schlingensief und Patti Smith einander angucken. – Also es gibt sehr viele (Blick)Winkel, die man interessant finden kann!

 

 

Veröffentlicht am 29. November 2022