„Ja, ich putze selber. Und ich putze gerne.“

Mit Essigessenz und Schmierseife: Nicole C. Karafyllis, Philosophie-Professorin und Autorin von „Putzen als Passion“, im Gespräch mit Schauspieldramaturg Stefan Bläske über Mikroben und Marie Kondo, Universalreiniger und „Ideologiekritik mit einem Wisch“.

Stefan Bläske: Dein Buch trägt den Untertitel: Ein philosophischer Universalreiniger für klare Verhältnisse. Wie ist dein Verhältnis zu dem nicht ganz unbelasteten Konzept von Reinheit und Reinigung?

Nicole C. Karafyllis: Das Buch ist – bei allem Humor – eine fundamentale Kritik daran, dass man es nicht nur sauber, sondern rein haben will. Denn Reinheit ist fester Bestandteil von Ideologien der Vernichtung. Wo alles rein ist, lebt nichts mehr. So eine Haltung ist nur im Labor oder im Krankenhaus sinnvoll. Aber gerade dort ist es oft zu wenig rein, wie wir von Krankenhaushygienikern wissen.

Marie Kondo hört auf, Ordnung zu halten.

Nicole C. Karafyllis: Ja, das habe ich auch gelesen, weil sie nun drei Kinder hat. Ich bin froh, dass die sich nun ausprobieren dürfen und Unordnung machen. Kreativität und Unordnung gehören meiner Meinung nach zusammen. Schließlich kann ich auch als unordentlicher Mensch meine Dinge putzen und pflegen, es dauert nur etwas länger. Ist doch schön!

Du vermeidest Begriffe wie Raumpfleger:in und nutzt „hoffnungsfroh und begeistert“ das Wort Putzfrau, „weil es bezüglich der Beschäftigungsverhältnisse die Realität widerspiegelt“. Was aber (zweites Unterkapitel) bedeutet: Die Putzfrau als Ausrede?

Nicole C. Karafyllis: Ich habe beobachtet, dass sich einige Menschen unangenehmen Situationen entziehen mit dem Satz „Da kann ich nicht, da kommt meine Putzfrau“. So als müsste man sie beaufsichtigen – und leider tun das auch viele Menschen: aus Angst vor Diebstahl oder um zu überwachen, dass sie auch ja gut genug putzt. Eine andere Art der Ausrede ist, wenn es dreckig ist in der Wohnung und man zu Besuch sagt: „Sorry, aber meine Putzfrau hat Urlaub“. Ich finde das schon ein wenig peinlich, aber auch erheiternd.

Seit der Balkon-Applaus verhallt ist, haben sich die Arbeitsbedingungen derer, die pflegen und putzen, nicht wesentlich verbessert. Was hätten wir aus der Corona-Zeit gelernt haben sollen?

Nicole C. Karafyllis: Zunächst, dass sie nicht vorbei ist, die Corona-Zeit ist jetzt nur anders und momentan für uns ungefährlicher. Aber Fakt bleibt, dass das Virus von einem noch unbekannten Zwischenwirt auf den Menschen übergesprungen ist und jetzt zum festen Bestandteil der Infektionskrankheiten gehört. Wir werden uns zusammen wandeln, so wie Mensch und Mikrobe es seit Tausenden von Jahren getan haben. In dieser langen Zeit hat die Menschheit gelernt, dass Saubermachen und manchmal auch Distanzhalten von Vorteil ist. Corona hat uns gezeigt, dass dieses archaische Wissen nach wie vor wichtig ist.

 

Info:
Am Sonntag, dem 18. Juni 2023 nimmt Nicole C. Karafyllis nach der Vorstellung von Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens an einem Publikumsgespräch mit dem Ensemble teil. Sie ist Professorin für Philosophie an der Technischen Universität Braunschweig. Ihr Buch Putzen als Passion ist im Kulturverlag Kadmos Berlin erschienen.

 

Veröffentlicht am 23. Mai 2023