Logistikleistung Young dogs: 28 Junge Akteur:innen, zehn Tänzer:innen und eine Band

Wie man Proben mit 41 Beteiligten koordiniert. Ein Erlebnisbericht von Alexandra Morales, eine der beiden künstlerischen Leiter:innen im Tanz.

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Es ist der Versuch, eine komplett eigene Welt zu organisieren: Vor diese Aufgabe gestellt, hatte ich das gleiche Gefühl, das ich vor Jahren hatte, als ich durch Bukarest zog und mir in der Straße, die ich gerade entlang ging, eine Hundemeute entgegen kam. Mein rumänischer Freund schrie einfach nur: RENN!!!

Ein „Date“ zwischen Samir und mir

Bei unserem ersten Organisationsmeeting zu Young dogs do cry sometimes, Samir Akikas Projekt, bei dem nicht nur unser Tanzensemble Unusual Symptoms auf der Bühne steht, sondern dazu noch 28 Junge Akteur*innen, war das gesamte Ensemble gerade mitten in den Endproben zu Spektrum, der ersten Tanz-Premiere dieser Spielzeit. Da die Hälfte des Young dogs-Teams ebenfalls tief in dieser Arbeit steckte, wurde das erste Treffen für die neue Produktion letztlich ein „Date“ zwischen Samir und mir.

Ungewöhnlich, doch in bekannten Dimensionen

Eine solche Herausforderung war nichts Neues für uns, es war eigentlich wie ein Retake der letzten Jahre, denn früher saßen wir oft zusammen und planten ungewöhnliche Projekte. Die Dimensionen, die Young dogs annehmen würde, konnte ich mir schon ganz gut vorstellen. Vor allem wenn ich mich an ein paar gemeinsame Projekte mit Samir in den vergangenen Jahren zurückerinnerte. Zum Beispiel an eine Produktion, die wir 2007 auf Kuba erarbeiteten, als vierzig unglaublich talentierte Tänzer:innen uns davon überzeugten, dass wir keine Auswahl treffen, sondern sie alle engagieren sollten. Oder die Produktion in Usbekistan, wo es nicht nur eine große Gruppe, sondern auch eine große Sprachbarriere gab, weil unser Übersetzer unsere Art zu arbeiten nicht verstand. Oder an einen Haufen Kinder in einem Dortmunder Skatepark, die mit einer Choreografie und vielen Skateboards alle beeindruckten. Young dogs fühlte sich also überhaupt nicht unmöglich an, aber ich wusste, was es bedeutet, ein Stück dieser Dimension zu organisieren.

Die räumliche Trennung war zu diesem Zeitpunkt schon Schicksal geworden

Als wir im November mit den Proben starteten, war das Ensemble gerade auf Tour mit Coexist. Das Team war also schon wieder auf verschiedene Orte aufgeteilt: Samir war in Bremen alleine mit ein paar Jugendlichen, die den Weg zur Probebühne nicht fanden und mich permanent in Budapest anriefen, damit ich ihnen den Weg erklärte. Die räumliche Trennung war zu diesem Zeitpunkt schon Schicksal geworden und ich wusste, dass das nur funktionierte, weil sich das Unusual Symptoms Team schon so lange kennt – wir alle verstehen Samirs Sprache und wir alle haben ähnliche Erfahrungen mit ihm gemacht.

Fast unmöglich, könnte man denken …

Die größte Aufgabe war die Koordination: zehn Tänzer:innen mit einem regulären Probenplan und wöchentlichen Vorstellungen, drei Gastmusiker, die aus verschiedenen Städten anreisen und hier und da immer wieder Konzerte spielen, vier Jugendliche, die mit Shelter ihre eigene Band gegründet haben und gleichzeitig Abitur machen, und vierundzwanzig Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit unterschiedlichen Hobbies, langen Tagen in Schule und Universität und völlig verschiedenen Stundenplänen, die aber alle zusammen mehrmals die Woche proben sollen … Fast unmöglich könnte man denken …

Duft nach Schweiß, Pausenbroten, Pubertät und meinem Hund

Ich entschied mich dazu, verschiedene Kalenderbücher anzulegen, in denen alles aufgeschrieben wurde: wer nicht kommen kann, wer auf Klassenfahrt ist, wer eine Prüfung hat, wann eine andere Performance stattfindet, wer Geburtstag feiert … All diese Informationen wurden die Grundlage meiner Planung. Ich versuchte, Gruppen zu bilden, die zusammengehören, und alle Gruppen so viel zu vermischen, wie es ging. Die Probebühne Tanz wurde zu unserem speziellen Treffpunkt: wenig Luft zum Atmen, ein konstanter Duft nach Schweiß, Pausenbroten, Pubertät und meinem Hund ... Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt.

Der Geschmack der Performance auf der Zunge

Wir probten immer parallel in verschiedenen Räumen, so konnten wir kleinere Gruppen bilden und auch das Arbeitsmaterial aufteilen. Die An- und Abwesenheiten, das Team, die Tänzer:innen, Musiker und Jugendlichen zu koordinieren, wurde mehr als eine Multitasking-Aufgabe. Noch dazu sind meine eigenen Kinder Teil der Produktion, das gab mir schnell das Gefühl, eine vielfache Mutter zu sein. Was mir geholfen hat, den Fokus nicht zu verlieren, war die Idee des Projekts in meinem Hinterkopf. Ich hatte sozusagen den Geschmack der Performance auf der Zunge, ohne die einzelnen Zutaten zu kennen. Irgendwie wusste ich, dass am Ende alles funktionieren würde.

Ein bisschen nervös

Jetzt auf der Bühne zu sein, erdet das ganze Projekt, es beginnt für uns alle realer zu werden. Die Stimmung ist bei allen ein bisschen nervös, Details werden wichtiger, der „final countdown“ hat schon angefangen. Bald wandern meine Notizbücher in die Kiste zu den anderen. Aber die vierzig Leute, die in dieser Produktion mitmachen, bleiben uns noch eine Weile erhalten und – wer weiß – vielleicht wird es auch wahr: dass junge Hunde doch manchmal weinen.

 

---english version---

Logistic effort Young dogs: 28 Young actors, ten dancers and one band

How to coordinate the timetable of 41 performers. A personal report by Alexandra Morales, one of two artistic directors of Unusual Symptoms.

Trying to organize a world of its own –  it gave me the feeling I had many years ago walking through the streets of Bucharest, where a “gang” of dogs approached the street I was walking through and my Rumanian friend just yelled … RUN!!!

A “date” between Samir and me

As we had our first organization meeting for Young dogs, the company was in final rehearsals for Spektrum, the first dance creation of this season. With half of the artistic team of Young dogs being involved in those rehearsals, it made the first meeting on the new creation a “date” between Samir and me.

This was nothing new for us

This was not anything new for us, but more like a retake of all the past years, when we sat together and planned it all. Somehow if I close my eyes I can see the dimensions of this piece. I just have to scroll back the cassette of my memory and think of productions like the one in Cuba in 2007, when 40 incredible dancers convinced us we should not do a selection but take them all, or the production in Uzbekistan where there was not only a big group, but also a big language barrier as our translator did not understand the artistic procedure of creating a piece. Or a bunch of kids in a skate park in Dortmund with a choreographed dance and a lot of skateboards impressing everyone. So Young dogs did not feel at all something impossible, but I knew what it would mean to organize something of this dimension.

The division was destiny by this point

When rehearsals started in November, the company was on tour with Coexist. So once again the team was divided, Samir left alone with some young performers who did not find their way to our studio and were constantly calling me in Budapest. The division was destiny by this point and I already knew that this would only work because the Unusual Symptoms team knows each other for so long - we all understand Samir’s language and we all had had similar experiences with him.

Almost impossible, one would think ...

The biggest task was to create a system of coordination. Ten dancers with a regular working schedule and a performance once a week, three guest musicians coming from other cities and having gigs all over the area, four kids being busy with their own Shelter and final exams in school plus 24 young performers with a lot of extra activities, long days of school and universities and all with different daily schedules ... Almost impossible, one would think ...

A “perfume” of sweat, lunch boxes, my dog and puberty

I decided to create calendar books where everything was noted: who would come late, who would not be able to come at all, who would be on a school trip, who would have an exam, when there were performances the dancers would have to attend, birthdays to be celebrated ... all this information became the base of my planning, trying to build groups that would belong together and trying to mix all the different groups as much as possible. Our rehearsal studio became a meeting point with thick air and a special “perfume” made of sweat, lunch boxes, my dog and puberty ... I would say by now we all got used to it.

Knowing the taste of the performance without knowing the ingredients

The longer we worked on the project, the more we divided the material to be worked on and booked parallel rooms where sometimes we would send smaller groups to work on their own. Coordinating arrivals, team, dancers, musicians and kids became more than a multitasking job. Having my own kids in the production too, very fast gave me a feeling of becoming a multiple mother. Always trying to keep a feeling of what all of this would turn out to be in the end, helps me keep the focus. Knowing the taste of the performance without knowing the ingredients has been the secret to confidence all the time. Somehow I know it will all work out.

The final countdown

Now, being on stage brings us all down to earth. Things starting to get real is grounding everyone. We all get nervous and details start to be very important, the final countdown has started and soon my books will go into the box with all the others. But the 40 people involved in this production will stay alive for a while and who knows, maybe we even realize that it is true: Young dogs do cry sometimes.