Neu am Haus: Karl Bernewitz

Bach ist ihm näher als Popmusik. Seit Januar ist ein neuer Chordirektor am Theater Bremen: Karl Bernewitz hat als Kind im Leipziger Thomanerchor gesungen, in Dresden und Stockholm Orchesterdirigieren studiert und in München und Sachsen gearbeitet. Diana König, Leiterin der Presseabteilung, hat ihn getroffen.

Mit Chören hast du eigentlich fast dein Leben lang Erfahrung, denn du warst im Leipziger Thomanerchor. Wie alt warst du, als du eingetreten bist?

Karl Bernewitz: Ich war neun Jahre alt. Vorher habe ich schon in der Kurrende in der Kirche gesungen, das lag nah, mein Vater ist auch Sänger. Beide Eltern haben im Leipziger Theater gearbeitet, mein Vater im Opernchor, meine Mutter im Ballettensemble. Und dann kam die Frage auf, ob ich nicht probieren möchte, in den Thomanerchor aufgenommen zu werden und es hat große Freude gemacht, mit den anderen Jungs zu singen und auch mit ihnen zusammen zu wohnen.

Wer im Thomanerchor Leipzig ist, besucht automatisch auch das humanistische Gymnasium und geht ins Internat. Hattest du kein Heimweh?

Nein. Für die Eltern ist das hart, denn man verzichtet darauf, dass das Kind zuhause ist, für die Kinder ist das cool, weil man immer mit Freunden zusammen ist. Und als Leipziger ist das alles auch nicht so schlimm, man kann ja am Wochenende nach Hause gehen.

Das ist ja schon eine besondere Kindheit.

Es war vor allem viel Bach. Bach war ja Thomaskantor, wir haben viel Bach gesungen  – und das prägt natürlich. Bach ist mir näher als jede Popmusik.

Du bist ein Jahr vor dem Fall der Mauer in Leipzig geboren, politisch und gesellschaftlich waren die 90er Jahre voller Wandel, Hoffnungen und Enttäuschungen. Hast du das mitbekommen?

Die Aufbruchsstimmung habe ich als Kind auf jeden Fall mitbekommen, es passierte was Neues, es entwickelt sich alles schnell. Die ganze Stadt wurde renoviert. Die Lebensbedingungen haben sich dramatisch verbessert.

In Dresden hast du Orchesterdirigieren studiert. Wann war klar, dass du lieber hinter dem Pult stehen möchtest?

Mir ist das schon mit 15 Jahren klar geworden, denn es gab einfach sehr viele inspirierende Dirigenten. Besonders unseren Thomaskantor Georg Christoph Biller und den damals neuen Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly. Mit dem Gewandhausorchester sind wir regelmäßig gemeinsam aufgetreten. Ich hatte also viele Berührungspunkte mit Orchesterdirigat, war inspiriert und deswegen habe ich das studiert. Aber ich habe immer auch mit Chören gearbeitet. Während meines Studiums assistierte ich beim Universitätschor Dresden und bei der Singakademie Dresden. Chordirigieren lag mir einfach nah, ich bin ja selber mit Chor aufgewachsen und habe immer den Kontakt zur Stimme gehabt.

Wie unterscheidet es sich, einen Chor und ein Orchester zu dirigieren?

Beim Chordirigieren hat man über den Atem quasi direkten Einfluss auf die Klangerzeugung, denn beim Singen ist der Atem die Grundlage von allem. Beim Orchesterdirigieren ist das Dirigat etwas abstrakter, da die Instrumente ihre Tonerzeugung alle auf unterschiedliche Weise bewerkstelligen.

Leipzig, Dresden, München, Stockholm sind deine bisherigen Stationen …

In Stockholm habe ich ein Erasmus-Semester gemacht, der Unterricht bei Gastprofessor Daniel Harding war inspirierend und ich konnte an der Königlichen Oper für La Bohème assistieren. München war die Station nach dem Studium, ich war am Gärtnerplatztheater als Stellvertretender Chordirektor engagiert. Da hatte ich die Nähe zum Musiktheater, zur Oper, zur Operette und gleichzeitig die Arbeit mit dem Chor. Ich habe auch viel bei anderen Münchner Musikinstitutionen hospitiert, wie bei der Staatsoper, dem BR. In der Zeit habe ich viele Erfahrungen gesammelt und die wollte ich dann anwenden.

2018 bist du zurück nach Sachsen: Du wurdest an die Landesbühnen Sachsen als Chordirektor mit Dirigierverpflichtung engagiert.

Für mich war dort besonders interessant, dass ich sowohl den Chor leiten konnte, als auch die Musikalische Leitung bei Produktionen übernehmen und das Orchester dirigieren. So habe ich beide Perspektiven kennengelernt.

Na, und jetzt Bremen. Die entscheidende Frage: Wie findest du unseren Chor?

Es ist ein großartiger Opernchor, der sehr engagiert und leistungsstark ist. Das habe ich vom Anfang an gespürt. Es ist zudem ein sehr schönes Arbeiten mit dem Chor, offen, mit guter Laune. Die Arbeit macht Freude.

Und den neuen Kinderchor betreust du auch?

Ja, ich habe auch schon an den Landesbühnen Sachsen zeitweilig mit dem Kinderchor gearbeitet und es hat mir viel Freude gemacht, weil die Kinder so direkt in ihrem Feedback sind. Man merkt sofort, ob eine Probe gut läuft – an den berühmten strahlenden Gesichtern. Wir suchen übrigens noch Kinder für unseren Chor: Ich freue mich, wenn sich Kinder und Jugendliche ab 6 Jahren melden. Für die Jungs gilt allerdings, dass sie noch nicht im Stimmbruch sein sollten, denn dann muss man seine Stimme schonen und darf nicht singen und für das Opernkinderchorrepertoire brauchen wir hohe Sopran- und Altstimmen.

Was macht man im Stimmbruch dann bei den Thomanern?

Man setzt aus. Es gibt regelmäßige, leichte Stimmübungen, Untersuchungen – aber gesungen wird nicht. Wenn der Stimmbruch vorbei ist, der Fachausdruck ist übrigens Mutation, dann kommt man zurück in den Chor – allerdings nicht mehr in die hellen Stimmen, sondern in die dunklen Männerstimmen.

Was bereitest du gerade mit dem Opernchor vor?

Eine große Herausforderung für die nächste Spielzeit steht schon an, aber die darf ich nicht verraten, oder?

Nein!

Dann bereiten wir gerade sowohl Titus als auch Die Liebe zu den drei Orangen vor. Beides sind großartige Stücke, aber der Auftakt der nächsten Spielzeit wird eine wirklich außergewöhnlich große Chorpartie bringen!

 

 

Veröffentlicht am 6. Februar 2024