Oppenheimer, Prompts, KI und die Frage nach der Moral

Oppenheimer ist in Bremen nicht nur auf der Kinoleinwand zu sehen, sondern auch auf der Musiktheater-Bühne: Doctor Atomic feiert im September Premiere. Dramaturgin Frederike Krüger im Gespräch mit Videodesignerin Ruth Stofer über Hollywood und Heute.

Robert Oppenheimer ist dieser Tage – in vielerlei Hinsicht – sehr präsent, u. a. in dem Filmepos von Christopher Nolan. Wie hast du den Film erlebt?

Ruth Stofer: Ich habe den Film direkt nach Start gesehen, weil ich so gespannt war. Der Film ist im besten Sinne ganz Hollywood. Es gibt eine dramatische Erzählweise, solides filmisches Handwerk, Momente großer Spannung, ein opulenter Umgang mit Musik und Sound. Ein Film, der mit sehr klassischen Mitteln eine große Geschichte erzählt und das ziemlich gut.

Nun bist du in der Musiktheaterproduktion von John Adams Doctor Atomic verantwortlich für das Videodesign. Mit was für einem Gefühl hast du den Film verlassen in Bezug auf die gerade laufenden Proben?

Ruth Stofer: Ich habe natürlich geguckt, ob ich mir filmisch etwas abschauen könnte (lacht). Nein, ich differenziere da sehr deutlich: Der Film ist Hollywood, Theater funktioniert und wirkt nochmal ganz anders und darin liegt die große Qualität.

Wie waren deine ersten Eindrücke, als du dich mit dem Stück auseinandergesetzt hast?

Ruth Stofer: Als Frank Hilbrich mich fragte, ob wir zusammen Doctor Atomic realisieren wollen, habe ich mich extrem gefreut, dass es eine zeitgenössische Oper ist. Inhalt wie Musik haben mich sofort begeistert. Ich finde es immer spannend, wenn ein Stoff politisch und aktuell ist.

John Adams folgt dabei den historischen Geschehnissen aber nicht im faktenbasierten Sinne, sondern eher im zwischenmenschlichen. Er sucht das Politische auch im Privaten.

Ruth Stofer: Er eröffnet eine Welt voller philosophischer Fragen, Welten voll großer Bilder und Gefühle. Darin gibt es einerseits einen Bezug zur Gegenwart, siehe Fukushima, wo gerade das aufbereitete Kühlwasser aus der Atomruine ins Meer geleitet wird, und andererseits fasst Adams das Thema viel weiter. Es geht bei ihm eben um die moralischen Fragen im Umgang mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das lässt sich dann wieder konkret aufs Heute beziehen, beispielsweise wenn es um den Umgang mit Künstlicher Intelligenz geht.

Künstliche Intelligenz spielt auch in deiner Arbeit bei Doctor Atomic eine Rolle. Es gibt vieles, was für die Anwendung Künstlicher Intelligenz spricht, aber die potenziellen Gefahren sind womöglich mit denen der Atombombe zu vergleichen?

Ruth Stofer: Als ich mit Frank Hilbrich über die Oper sprach, sind wir relativ schnell zu genau diesen Aspekten gekommen. In künstlerischer Hinsicht finde ich es aber spannend, mit Künstlicher Intelligenz zu experimentieren und zu schauen, was damit möglich ist. So bearbeite ich von mir gefilmte oder fotografierte Szenen mit den Sänger:innen mit verschiedenen KI-Programmen.

Wie funktioniert das genau?

Ruth Stofer: Es gibt unterschiedliche Softwares und Ansätze. Meistens ist es jedoch so, dass ich ein Foto oder eine Videosequenz hochlade und dann einen sogenannten „Prompt“ eingebe, also einen schriftlichen Befehl, wie das Bild verändert werden soll. Tatsächlich dauert es am längsten, herauszufinden, welchen Befehl ich wie formuliere, damit das Bild dann so aussieht, wie ich es mir vorstelle. Interessant fand ich dabei, dass eigentlich alle Softwares hinterher einen ähnlichen Look herausgegeben haben, es sind immer ähnliche Farben und eine gewisse Steampunk-Ästhetik, die den Bildern auferlegt wird. Insgesamt habe ich mehrere Wochen gebraucht, um diesen Prompt „zu füttern“ und herauszufinden, wie ich am ehesten an meine gewünschten Ergebnisse komme. Das war extrem schwierig, aus der Software genau das Bild herauszukitzeln, das ich im Kopf hatte.

In Doctor Atomic gibt es aber nicht nur Videos, die du mit der KI erstellt hast.

Ruth Stofer: Nein, das war nur ein Aspekt von vielen. Es geht um die Gefühlswelten der Menschen, es geht darum, in ihre Abgründe zu schauen und so richtig nah heranzoomen zu können. Durch den Einsatz des Videos werden diese Gefühlswelten nachvollziehbar und sinnlich. Das schafft die Künstliche Intelligenz nicht, es bleibt immer eine Distanz, finde ich. Mit dieser Gegensätzlichkeit zu spielen, finde ich jedoch sehr spannend.

Als gegensätzlich erscheint auch oft der Einsatz von filmischen Mitteln im Theater, das ja erst mal ein analoges Medium ist.

Ruth Stofer: Ich muss immer ein bisschen schmunzeln über diese Diskussion, ob Videodesign etwas im Theater zu suchen hat oder nicht, weil filmische Mittel schon seit hundert Jahren auf der Theaterbühne eingesetzt werden. Beispielsweise haben Erwin Piscator oder Wsewolod Meyerhold schon Film in ihren Stücken verwendet, natürlich noch in einem ganz anderen Stil und mit anderen, einfacheren Mitteln, aber es gab sie. Piscator beispielsweise wollte bestimmte Szenen nicht allein über den Text zeigen, sondern eben auch über Filmsequenzen, um seine Stücke für möglichst viele Zuschauende zugänglich zu machen. Ich glaube, dass der Film ein Emotionsmedium ist. Über den Film lassen sich Emotionen transportieren und es geht eigentlich immer um Menschen und um Emotionen. Wie im Theater auch.

 

 

Veröffentlicht am 5. September 2023