Phantásiens Ohrwurm-Produzentin
Die Jazzsängerin Romy Camerun hat für Michael Ende: Die unendliche Geschichte die Lieder geschrieben – mit Ohrwurmpotential, wie von an den Proben beteiligten Menschen zu hören ist. Diana König, Leiterin der Presseabteilung, hat Romy Camerun gefragt, ob man Ohrwürmer planen kann.
Diana König: Für unser Familienstück, Michael Ende: Die unendliche Geschichte, hast du Lieder komponiert. Welches ist gerade dein Lieblingsstück und warum?
Romy Camerun: Mein Lieblingsstück ist das letzte Lied, weil es auch in der Gruppe so ein bisschen zu Beliebtheit gekommen ist. Als ich es geschrieben habe, wollte ich gern, dass es zum Mitsingen einlädt.
Und wie heißt es?
„Shuhu-Shuhu, ja das bist du.“
Gibt es einen Unterschied, Lieder für junges und für erwachsenes Publikum zu schreiben?
Auf jeden Fall, ich habe zum Beispiel die Musik für Das Fest, das Nina Mattenklotz in St. Gallen inszeniert hat, gemacht. Das ist etwas völlig anderes, das war mehr elektronisch und düster. Was mir jetzt bei der Unendlichen Geschichte Spaß macht, ist, dass die Musik verständlich für Kinder sein soll.
Und wie bringt man jetzt zum Beispiel den Glücksdrachen zum Fliegen oder die Kinder zum Träumen?
Ja, das müssen dann die anderen sagen, ob sie mitgeflogen sind oder geträumt haben. Aber ich glaube, für den Glücksdrachen ist mir was ganz Schönes gelungen, das so ein bisschen lateinamerikanisch ist. Ich finde, da fliegt man ja schon von alleine bei der Musik.
Kann man gezielt einen Ohrwurm schreiben, kann man das planen?
Glaube ich nicht, sonst säße ich ja wahrscheinlich nicht hier, sondern wäre ganz furchtbar reich und säße in Los Angeles und hätte die Musik für den Herrn der Ringe gemacht oder sowas. Nein, ich kann's nicht, aber ich denke auch, mit dem Anspruch, einen Ohrwurm zu schreiben, schon ranzugehen, ist ein komischer Move. Zum Schreiben muss man ein Thema haben, das man verfolgt und ob es dann ein Ohrwurm wird, das liegt nicht bei uns.
Du bist ganz schön viel gereist früher, hast an unterschiedlichen Orten der Welt gearbeitet, in den USA, in den Niederlanden, der Schweiz, in Griechenland, Italien und Frankreich. In der Unendlichen Geschichte gehen Bastian und Atréja auch auf weite Reisen. Beneidest du sie manchmal darum?
Ich reise ja immer noch gerne, inzwischen in unserem Campingbus, damit sind wir auch viel unterwegs im Sommer. Man kann schon staunen, was wir für Kilometer hinter uns bringen: Albanien, Montenegro, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Bosnien, Italien, Ungarn …
Jetzt lebst du in Bremen und unterrichtest an der Hochschule für Musik und Kunst Bremen und an der Folkwang Essen. Macht dir das Spaß zu lehren?
Am Anfang hat es mir überhaupt keinen Spaß gemacht, da war ich aber selber erst so ein bisschen über 30 und die ältesten Studierenden waren so 27 Jahre alt, da war der Abstand zu klein. Und außerdem konnte ich auch noch nicht besonders gut unterrichten. Jetzt mache ich es total gerne, auch weil es Kontakt ist zu einer, jetzt schon nicht mehr Töchter-, sondern Enkelgeneration. Es ist total interessant, was sie denken, welche Musik sie gut finden. Da wiederholt sich auch alles aufs Schönste, inzwischen haben wir zum Beispiel in Essen eine Earth, Wind & Fire-Band. Das ist ja sowas von 70er! Aber die jungen Leute finden die Musik mega und ich fand es damals ja auch mega. Außerdem finde ich es auch interessant miteinander Musik zu machen, was ich da ja jeden Tag tun darf.
Siehst du Parallelen zwischen dem Begeistern von Studierenden im Unterricht und der Möglichkeit einen ganzen Saal von Schüler:innen beim Familienstück für Musik zu begeistern?
Da habe ich noch nie drüber nachgedacht, aber natürlich will man die Menschen für die gute Sache begeistern, ist ja klar. Das schließt vielleicht auch nochmal an die Frage von vorhin nach den Ohrwürmern an: Man schreibt für ein Kinderstück natürlich nicht extra was besonders Verwickeltes, Vertüfteltes, damit man die Melodie nach drei Sekunden vergessen hat. Wenn ich jetzt Jazzgesang unterrichte, ist natürlich dieser ganz direkte Weg nicht unser Ziel, aber es ist natürlich trotzdem unser Ziel, Menschen zu erreichen.
Wenn du jetzt selbst auf der Bühne stehst und als Musikerin und Sängerin ein Konzert gibst, unterscheidet sich das sehr davon, wenn du bei einem Kinderstück mit auf der Bühne stehst und die Lieder im Rahmen eines Stücks spielst.
Mit meiner Band musiziere ich anders. Wir proben, ich singe und gestalte in der Regel die Stücke. Da geht es ums Musizieren miteinander, ums Improvisieren und immer wieder um den Inhalt des Liedes, den ich gestalte. In einem Theaterstück passiert ja im günstigsten Falle auch noch ziemlich viel außerhalb der Lieder. Teil von einer Inszenierung zu sein, an der so viele Menschen teilnehmen, Kostüme, Technik, Sound, Ankleiden und Auskleiden, Licht und Dunkel, Flug, Bühne, Pflanzen, die wachsen und verschwinden, Spieler:innen, die Atréja und Bastian und Windriesen und Morlen spielen. Das ist doch das ganze Wunder!
Findest du, wir machen alle zu wenig Musik?
Wenn wir verhindern wollen, dass Phantásien verschwindet, ja.
Veröffentlicht am 4. November 2025.