Zwischen Kafka, Hoffmann & Co.: Schultheater als Bühne der Begegnung
Wie Schultheater als lebendiger Raum des Austauschs funktioniert: Theaterpädagogin Rieke Oberländer über die Stärkung junger Stimmen im Gespräch mit Nele Heins, Mitarbeiterin der Marketingabteilung.
Der Sandmann und Verwandlung – auch Kafka stehen bei uns Ende September auf dem Spielplan. Gastspiele im Rahmen des Festivals Schultheater der Länder: Was erwartet uns?
Rieke Oberländer: Beide Gastspiele bieten ganz unterschiedliche Ansätze, literarische Klassiker neu zu interpretieren, und genau das macht das Schultheater der Länder – ein jährliches Festival mit Schultheatergruppen aus allen 16 Bundesländern – so besonders. Verwandlung – auch Kafka eröffnet das Festival und greift Franz Kafkas Die Verwandlung auf, geht aber über den klassischen Stoff hinaus und erkundet verschiedene Verwandlungsprozesse – von tierischen Metamorphosen wie dem Schmetterling oder dem Froschkönig, bis hin zu persönlichen Transformationen. Dabei steht immer wieder der kafkaeske Gregor Samsa im Mittelpunkt und eröffnet zugleich einen Diskurs über Veränderung. Der Sandmann aus Niedersachsen basiert auf der Erzählung von E.T.A. Hoffmann und bleibt nah am Original. Die Inszenierung konzentriert sich auf die psychologischen Aspekte der Geschichte, insbesondere die Angst vor der Figur des Sandmanns, und setzt auf eine besonders atmosphärische und choreographische Umsetzung. Neben dem Theater Bremen sind vom 22. bis 26. September weitere spannende Aufführungen im Schlachthof und im Tabakquartier zu sehen.
Kannst du noch kurz erklären kann, was das Schultheater der Länder ist?
Das Schultheater der Länder ist ein jährlich stattfindender und durch die Bundesländer wandernder Schultheaterwettbewerb, veranstaltet vom Bundesverband Theater in der Schule e.V. Höhepunkt und mittlerweile fest etablierter Treffpunkt der Jugendtheaterszene ist die abschließende Festivalwoche mit Fachtagungen von und mit Schüler:innen aus ganz Deutschland, die dieses Jahr in Bremen stattfindet – worauf wir uns sehr freuen!
Wie sieht die Organisation bei solch einem bundesländerübergreifenden Projekt aus?
Die Organisation eines solchen Festivals erfordert vor allem Koordination. In Bremen übernimmt diese Aufgabe der Fachverband für Theater in der Schule Bremen e.V. (FaTS), bestehend aus einem Planungsteam engagierter Lehrkräfte. Unterstützt werden sie von einer weiteren externen Fachkraft, die Aufgaben der Organisation und Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Die Schulbehörde, vertreten durch die Senatorin für Bildung, ist ebenfalls in den Prozess eingebunden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Kooperationspartner:innen, von Sponsoren, die z.B. Wasser für das Festival zur Verfügung stellen, bis hin zu Spielstätten, die ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, wie z.B. das Theater Bremen. Da wir ohnehin eng mit Schulen zusammenarbeiten, freuen wir uns umso mehr, die Entwicklung von Schultheater zu unterstützen.
Die Einsendungen der jeweiligen Bundesländer werden jedes Jahr von einer Jury ausgewählt. In diesem Jahr warst du auch Teil dieser Jury. Wie läuft so ein Auswahlprozess ab? Gibt es leitende Kriterien, nach denen entschieden wird?
Grundsätzlich achten wir darauf, einem möglichst breiten Altersspektrum eine Bühne zu bieten, mit Themen, die gesellschaftspolitisch, aber auch persönlich relevant sein können. Natürlich muss es auch zum übergeordneten Thema des Festivals passen – in diesem Jahr Schultheater.Leben. In der dramaturgischen Auseinandersetzung mit den Einreichungen geht es dann vor allem darum, wie sich die jeweiligen Gruppen mit diesem Motto auseinandersetzen: Welcher Stoff wird gewählt? Gelingt es der Gruppe, über eine reine Nacherzählung hinauszugehen? Welche Perspektiven werden dargestellt? Riskieren sie etwas? Am Ende wollen wir Kinder und Jugendliche sehen, die ihr Theater machen – mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen.
Das diesjährige Festival steht – wie du eben schon gesagt hast – unter dem Motto Schultheater. Leben. Auf was können sich Zuschauer und Zuschauerinnen freuen?
Was ich am diesjährigen Thema besonders spannend finde, ist so eine mitschwingende Doppelbedeutung. Denn es geht nicht nur um Themen, die in irgendeiner Weise die Lebenswelt der Jugendlichen betreffen, sondern auch darum, Schultheater an sich zu leben und zu beleben, Theater und Bühne als lebendigen Austauschraum zu begreifen, in dem sich Jugendliche begegnen und auseinandersetzen – miteinander und mit Themen. Und das alles erzeugt, wie ich finde, eine ganz besondere, lebendige und ansteckende Energie.
Für dich aus theaterpädagogischer Sicht: Was ist das besondere, wenn gesellschaftliche Themen gerade von jüngeren Akteur:innen auf der Bühne verhandelt werden?
Es ist vor allem die Möglichkeit, einer jungen Perspektive eine Stimme zu geben, die wir vielleicht nicht so oft hören. Ich merke immer wieder, wie viel ich durch diesen Austausch lernen kann, weil es ein Korrektiv zur Erwachsenenwelt ist, ein kritischer Spiegel sozusagen. Aber auch aus Sicht der Schüler:innen habe ich den Eindruck, dass das gemeinsame Spiel und das damit einhergehende Begegnen und auch Aushalten voneinander ein immenses Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl schafft. Das auf und neben der Bühne zu beobachten, macht einfach Spaß!
Veröffentlicht am 18. September 2024