Schwarze Perspektiven auf die Klimakrise
Ein Bericht von Sandra Kebede, die im Rahmen der „Decolonize FU Berlin“ Hochschulgruppe Workshops zu „Decolonize Climate Action“ gibt.
Der Black History Month entspringt dem Bestreben, der Geschichte und den Errungenschaften von Schwarzen Menschen mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Sichtbarkeit ist auch im Klimagerechtigkeitsdiskurs ein wichtiges Thema, denn dominierende Geschichtsschreibungen unter Hashtags wie #fridaysforfuture lassen in den meisten Fällen die Betroffenheit und den Aktivismus von Schwarzen Menschen aus. Zuletzt kursierte im Internet ein auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos aufgenommenes Foto. Das Foto zeigt die Klimaaktivist*innen Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson und Loukina Tille von links nach rechts – die ugandische Aktivistin Vanessa Nakate, die links von Luisa Neubauer stand, wurde herausgeschnitten. Auf Twitter schreibt Nakate „Sie haben nicht nur ein Foto entfernt, Sie haben einen Kontinent entfernt (…)“
Der Einsatz und die Betroffenheit von Schwarzen und Indigenen Menschen im Globalen Süden werden unsichtbar gemacht.
Das Foto ist ein Paradebeispiel dafür, wie Narrative und Wirklichkeiten im Globalen Norden geschaffen werden, die primär den Globalen Norden mit dem Klimagerechtigkeitskampf zusammenbringen. Die „Anderen“ sind Menschen des Globalen Südens. So werden der Einsatz und die Betroffenheit von Schwarzen und Indigenen Menschen im Globalen Süden unsichtbar gemacht. Im Globalen Norden organisiert sich die Klimagerechtigkeitsbewegung unter Narrativen wie „Alle für das Klima“ und „#forthefuture“. Dabei tragen nicht alle dieselbe Verantwortung für den Klimawandel und dieser findet auch nicht erst in der Zukunft statt. Es sind 2/3 der historischen Treibhausgasemissionen, die auf dem Klimaschuldenkonto des Globalen Nordens zu verbuchen sind. Es fehlt auch ein #forthepast, denn die Geschichte der Ausbeutung unserer Umwelt ist die Geschichte des Kolonialismus.
Antikoloniale Kämpfe von Indigenen Menschen, Schwarzen Menschen und People of Color (BIPoC) sind auch Klimagerechtigkeitskämpfe.
Vor etwa 500 Jahren entstand durch die transatlantische Verschleppung von Millionen von afrikanischen Menschen und der imperialen Aneignung von Land das System, das den kolonisierenden Regionen Reichtumsakkumulation ermöglichte. Kolonisierte Regionen zahlten dafür mit Genoziden und Ökosystemkollaps. In denselben Regionen versterben auch heute Menschen im Kampf gegen Entwaldung. Antikoloniale Kämpfe von Indigenen Menschen, Schwarzen Menschen und People of Color (BIPoC) sind auch Klimagerechtigkeitskämpfe. Denn zum Beispiel der Einsatz für Landrechte setzt sich auch den Stopp des Raubabbaus von Ressourcen wie fossiler Brennstoffe zum Ziel.
Robert Bullard: Es ist die Postleitzahl, die die eigene Gesundheit bestimmt.
Global sowie lokal betrachtet sind es die Marginalisiertesten, die für den ökologischen Fußabdruck der Privilegiertesten zahlen. In Städten wie London und Berlin sind es Schwarze und migrantische Communities, die in Stadtteile mit hoher Luftverschmutzung gedrängt werden. Auf diesen Umweltrassismus macht auch Rosamund Kissi-Debrah aufmerksam und stellt Forderungen #forthepresent. Ihre neunjährige Tochter Ella verstarb vor wenigen Jahren an einer Asthmaattacke, die auf illegal hohe Luftverschmutzung in South East London zurückzuführen ist. Der afroamerikanische Soziologe Dr. Robert Bullard, der den Begriff „Environmental Justice“ prägte, verweist darauf, dass es die Postleitzahl sei, die die eigene Gesundheit vorausbestimme. Die Mortalitätsrate von BIPoC bei Hitzeperioden und Extremwetterereignissen sei überproportional hoch – „wrong complexion for protection“, schreibt er. In Deutschland gibt es keine Studien mit vergleichbaren Forschungsansätzen, jedoch ist ein vergleichbares Bild durch stadtweite Feinstaubradare und Expertise zu rassistischer Wohnungspolitik zu erkennen.
Es geht darum, koloniale Kontinuitäten aufzudecken, die besondere Betroffenheit von BIPoC zu markieren und die Intersektion von race und environment aufzuzeigen.
Für Schwarze Menschen geht es folglich um mehr, als dass die deutsche Klimabewegung mehrheitlich weiß ist. Es geht darum, koloniale Kontinuitäten aufzudecken, die besondere Betroffenheit von BIPoC zu markieren und die Intersektion von race und environment aufzuzeigen. Dies erfordert einen Klimagerechtigkeitskampf, der von der Beteiligung marginalisierter Menschen lebt, solidarisch ist mit BIPoCs im Globalen Süden und sich #forthepastpresentandfuture einsetzt.
Zusatzinformation:
Vortrag im Theater Bremen!
Die Beeinflussung des Klimawandels durch die Geschichte und Gegenwart des
Rassismus’. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum Black OurStory Month gibt es am Dienstag, dem 25. Februar im Theater Bremen den Vortrag Schwarze Perspektiven auf den Klimawandel und die Kolonialität der Klimakrise mit anschließender Diskussion. Auf dem Podium sitzen der Menschenrechtsaktivist und Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins und die Aktivistin Imeh Ituen, politisch aktiv ist sie u. a. in der Geflüchteten Bewegung und derzeit in einer BPoC-Gruppe in Berlin, die sich für Umwelt- und Klimagerechtigkeit engagiert. Los geht es um 18:30 Uhr im noon / Foyer Kleines Haus, der Eintritt ist frei!
Gefördert im Programm 360° - Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft der Kulturstiftung des Bundes.