Go wüst

Dramaturgin Theresa Schlesinger macht sich auf in die Wüste.

„mein zuhause ist wüst ist die wüste ist kein sicherer ort für frauen“ sagt Julietta die Marquise von O…. in Enis Macis Stück WÜST.

Wüst ist ein Ort, wenn er nicht von Menschen bewohnt wird: ganz verlassen und unbebaut. Wüst ist zugleich, was ungezügelt ist, wild, höchst unordentlich, rüde und unanständig. Eine wüste Schlägerei beispielsweise, ein wüster Sturm oder ein wüster Kerl. Wüst ist meist abwertend gemeint, wenn es nicht gerade als Bezeichnung für einen menschenleeren Ort verwendet wird. Was wüst ist, hat mit Zerstörung zu tun und widersetzt sich jederlei Regeln.

Wüst, Wüste, Wüstenland, Wild Wild West.

In der Wüste spielen sich unvorstellbare Geschichten ab. Wer sich hierher verirrt, muss sich den Regeln der Wüste beugen. Denn hier gibt es nichts außer Sand, Steinen und Hitze. „Menschenleer“ heißt auch, ungezügelte Natur, heißt auch, keine Zivilisation und keine gesellschaftliche Ordnung. Hier verliert man leicht die Orientierung. Go West! Predigen die amerikanischen Pioniere. Go West, Young Man! Aber die Wüste widersetzt sich auch ihnen. Die Wüste kann nicht beherrscht, nicht besiedelt werden.

Sie bildet einen Ort zwischen dem American Dream und dem unberührten Land. Ist wüst also vielleicht auch eine Bezeichnung für Freiheit? Für Widerstand?

In Russ Meyers Kultfilm Faster, Pussycat! Kill! Kill! beherrschen die drei Protagonistinnen Varla, Billie und Rosie die Wüste. Die Dreharbeiten für den Film begannen 1965 im Pussycat Club, einem Strip-Club in Van Nuys, einem Stadtteil von Los Angeles, bevor die drei später in der Nacht in die kalifornische Wüste weiterzogen. Die frühe Rennszene des Films wurde auf den trockenen Salzebenen des Cuddeback Lake gedreht, die Tankstellenszene in der Stadt Randsburg gefilmt, und die Szenen im Haus des alten Mannes auf Ollie Peche's Musical Wells Ranch außerhalb der Stadt Mojave. Diese Stadt liegt in der westlichen Region der Mojave-Wüste, unterhalb und östlich des Oak Creek Passes und der Tehachapi Mountains. In der Wüste befindet sich einer der heißesten Orte der Welt, das Death Valley. Hier werden in den Monaten Juli bis August durchschnittlich Temperaturen von über 45 °C erreicht. Das Death-Valley ist nicht ganz ungefährlich. Nicht umsonst hat es seinen Namen: Tal des Todes.

Die Wüste ist also auch ein Ort der Gefahr. Sie ist kein sicherer Ort – für niemanden.

Vielleicht liegt hierin aber auch das Glück? Die Wüste als unbesetzter Ort besitzt einen einzigartigen Zauber. Hier gelten andere Regeln. Hier wird ausgehebelt, was sonst als abwertend gelesen wird. Wüst ist, wer gegen die Norm geht. Unordentlich und ungezügelt. Hier überlebt nur, wer sich eigene Regeln schafft. Flirrende Hitze und wirbelnde Sandstürme, weite Flächen ohne jede Spur von Zivilisation. Man könnte vergessen, dass es irgendwo noch eine gibt. Gesellschaftliche Ordnung und normative Zwänge haben keinen Platz in der Wüste. Die Hässlichkeit und das Abscheuliche, was in der Bezeichnung „wüst“ eingeschrieben ist, markiert gleichzeitig einen Befreiungsschlag von gesellschaftlich diktierten Normen, die nur allzu oft erdrückend und diskriminierend sind. Wüst ist, wer mutig genug ist, um Regeln und Normen in Frage zu stellen. Und am Ende findet sich vielleicht doch noch der Weg zu einer Oase …