Zu Weihnachten etwas Gehegeltes
Eine augenzwinkernde philosophische Herleitung eines guten Grundes, ein Geschenkabo am Theater Bremen zu kaufen. Diana König meint‘s ernst.
Haben Sie schon einmal im Theater gesessen und diesen Moment erlebt, auf den alle, die ihn einmal erlebt haben, fortan immer bangen Herzens warten müssen? Wenn alles um einen herum licht wird, weil das, was auf der Bühne geschieht, in glasklarer Schönheit so befreiend wirkt, dass aller Alltag, aller Stress, alle Sorge, aller Schmerz für einen Augenblick abfällt? Das ist ein Moment des puren Glücks, ein Moment, in dem das große Wort „Freiheit“ erlebbar ist.
Mit Hegel im Kopf ins Theater – das klingt wenig verlockend?
„Der Schein der Kunst ist eine viel höhere und wahrhaftere reelle Form als das, was wir Realität zu nennen pflegen“, lehrt Hegel 1826 in seinen berühmten Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst. Mit Hegel im Kopf ins Theater – das klingt wenig verlockend? Seien Sie nicht so bodenständig, wagen Sie sich mit mir raus, auf die Suche nach dem Schein der Wahrheit hinter der Realität, auf die Suche nach der Freiheit. Denn um die geht es: bei Hegel und auch im Theater. Und wahrscheinlich doch auch in Ihrem Leben.
Frei soll der Mensch sein, ihn dahin zu führen, ist die Triebfeder von Hegels ganzem Werk: eine Befreiung aus der Angst vor der befremdenden Welt, eine Befreiung hin zum selbstbestimmten und souveränen Sein und Handeln, zum Verstehen und zum Aufgehen in diesem vernünftigen Verständnis, das Hegel Weltgeist nennt. Werden Sie nun Teil des Geistes …
Sie fragen sich, wie der Text jemals noch zum Geschenkabo überleiten kann?
Hört sich blöd an? Sie mögen keinen Geist? Seien Sie nicht so geistfeindlich, es wird schon schön werden … schließlich gehen wir ins Theater, da werden Sie sich nicht sattsehen können an all dem Sinnlichen, das wir Ihnen zu bieten haben. Im Sinnlichen, so Hegel, erscheint die Idee in einer einfacheren Form: Was er damit sagen will, ist, dass sie nicht so schwer zu erkennen ist, wie in der Philosophie.
Warum sollten wir eine Idee in einer einfachen Form sehen wollen? Weil wir uns nach der Wahrheit sehnen, nach Klarheit und Verstehen. Weil wir – und das nicht erst seit der Globalisierung oder der Digitalisierung, sondern ganz einfach schon immer – in eine Welt gestellt sind, die wir in ihrer Komplexität nicht verstehen können – und die uns deswegen Angst machen kann: Wie kommen wir an unsere Ziele, wenn wir die Zusammenhänge nicht verstehen? Wie können wir ein gutes Leben führen, wenn wir nicht wissen, welche Konsequenzen unser Handeln hat? Wie können wir lieben, vertrauen und Beziehungen aufbauen, wenn wir nicht wissen, was die Zukunft bringt?
Interessanter ist es doch, es anders zu verstehen, alles zu erwarten und genauer hinzusehen
Indem wir die Welt durchdenken und so erkennen, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind, in dem unsere Freiheit liegt, ist Hegels Antwort. Das hört sich jetzt schnell so an wie „Okay, mein Einzelschicksal ist nicht wichtig“ – und es gibt solche Passagen in Hegels Werk und auch Interpret*innen, die das dementsprechend sehen würden. Aber interessanter ist es doch, es anders zu verstehen, alles zu erwarten und genauer hinzusehen: Denn es gibt auch Passagen, vor allen Dingen in den frühen Werken, in denen Hegel sagt, dass jedes einzelne Individuum wichtig ist, dass alles nichtig wird, wenn nur einem Unrecht geschieht. Das heißt dann wiederum, dass die Freiheit und die Teilhabe am Weltgeist nicht einfach über uns hinwegrollt: vielmehr sind wir diejenigen, in denen sich all das verwirklicht. Zugespitzt formuliert: kein Individuum, kein Geist, keine Freiheit.
Spannend, oder?
Jetzt, wo Sie wissen, dass Sie die Bedingung dafür sind, dass der Geist wirklich wird, wollen Sie sicher doch auch Teil des Geistes werden: Sie sind es schon, Sie müssen dessen nur ansichtig werden. Also ab ins Theater. Wenn Sie dann zum Beispiel in Vögel gehen und Emil Borgeest seinen Schlussmonolog vorn an der Rampe hält, dann können Sie im vollbesetzten Haus jeden Seufzer hören, so still ist es. Nicht nur, weil die Produktion gelungen und die Geschichte bewegend ist, auch, weil Sie in diesem Erlebnis von sich selbst abstrahieren: Sie sehen das, was zutiefst menschlich und bewegend ist, was gleichzeitig unser Antrieb und unsere Furcht ist, aus einer Distanz, die Sie all das erkennen lässt. Sie verstehen einen Zusammenhang, ja, Sie begreifen ihn, er durchwirkt Sie, Ihr Herz schlägt schneller, vielleicht haben Sie eine Gänsehaut und Sie wissen eines: Ich bin nicht gefangen in meiner Situation. Man kann sie auf die Bühne bringen, man kann sie spielen, andere können sie betrachten, ich kann sie benennen. Sie sehen die Idee, den Schein des Wahren. Sie sind frei. Für einen wunderschönen, scheinenden, glasklaren Augenblick.
Jetzt zum Geschenkabo
Freiheit kann man nicht kaufen. Diesen außerordentlichen Theatermoment kann auch niemand garantieren. Dieser Text zeigt nicht mehr als mein Theaterverständnis, als den Grund meiner Liebe zum Theater. Als Pressesprecherin ist es meine Aufgabe, Journalist*innen die Informationen so zur Verfügung zu stellen, dass sie alles haben um unabhängig und unbestechlich über unsere Arbeit zu berichten. Das Ziel meiner Arbeit ist dabei immer, Menschen für das Theater zu begeistern: Wenn wir jetzt Weihnachten als Fest betrachten, an dem es auch Geschenke gibt, denke ich, dass das Geschenkabo des Theaters eine Möglichkeit ist, die Sie in Betracht ziehen könnten. Für hundert Euro bekommen Sie vier Karten in der zweiten Preiskategorie, davon zwei im Theater am Goetheplatz und zwei im Kleinen Haus. Die Vorstellungen können Sie sich selbst zusammenstellen. Das Geschenkabo kann bis zum 24. Dezember um 14 Uhr an der Theaterkasse erworben werden, einlösbar ist es bis zum Ende der Spielzeit. Vier Chancen auf diesen besonderen Moment.
Eine schöne Adventszeit!