Moby Dick – ein Gigant der Meere entsteht im Malsaal
Dramaturgin Regula Schröter hat Frank Bethe, den Leiter der Dekorationsabteilung, kurz nach dem ersten Wal-Aufblastest getroffen: über Bühnenzauber und Handwerksherausforderungen.
Regula Schröter: Frank, die Arbeit am Bühnenbild für Moby Dick oder der Wal war wahrlich kein alltägliches Unterfangen. Der Bühnenbildner Thomas Rupert hat für den dabei entstehenden Ozeankosmos einen riesigen aufblasbaren weißen Wal entworfen. Wie fühlst du dich nach dem ersten Testaufblasen?
Frank Bethe: Die letzten Tage war ich ziemlich nervös. Wir haben tagelang an der enorm großen Hülle des Wales genäht, ohne überprüfen zu können, ob wir auch wirklich alle Einzelteile richtig zusammengefügt haben. Die Wahrheit zeigte sich beim ersten Aufblasen.
Und?
Frank Bethe: Es hat geklappt. Ich bin erleichtert.

Unser Bühnenwal orientiert sich am Vorbild eines Pottwals. Um die eindrücklichen Dimensionen dieser Meeressäuger zu vermitteln, wird in Sachbüchern mit Steckbriefen gearbeitet. Wie beschreibst du den Bremer Moby Dick in Zahlen?
Frank Bethe: Länge: 17 Meter, Höhe: 6 Meter, bestellter Stoff: 340 Laufmeter, verarbeiteter Stoff: 220 Laufmeter, Oberfläche: 255 Quadratmeter, vernähtes Garn: 20.000 Meter, Gewicht Material: 16,7 Kilogramm, Gewicht aufgeblasen: ca. 20-30 Kilogramm, Aufblasdauer: geschätzt 20 Minuten, Arbeitsstunden: 170, aufgeteilt auf vier Mitarbeiter:innen.

Was war die größten Herausforderungen bei der Produktion des Wals?
Frank Bethe: Die Herstellung der Schnittmuster. Dafür mussten wir erst mal ein spezielles Computerprogramm suchen und erwerben. Wir haben eines gefunden, das zur Herstellung von Bastelbögen dient. Alle kennen diese Papierfaltmodelle zum Beispiel vom Eiffelturm, dem Brandenburger Tor oder dem Petersdom. Die werden damit konzipiert. Das Programm legte Gitterlinien rund um das 3D-animierte Modell des Wales und bildete so seine Oberfläche ab. Diese konnte man dann digital auseinanderklappen, in einzelne Schnittmusterteile zerlegen und im Maßstab von 1:1 auf Papier drucken.
Wie gings dann weiter?
Frank Bethe: Da in unserer Werkstatt zu wenig Platz war, haben wir im Malsaal zugeschnitten, ausgelegt und genäht. Mit diesem Computerprogramm kann man eine Stoffkante in einem Übersichtsplan der einzelnen Teile am Bildschirm farbig markieren und es zeigt einem dann durch eine Verbindungslinie an, mit welchem Teil an welcher Kante es zusammengefügt werden muss. Ich stand mit dem Computer auf der Galerie des Malsaals und habe aus der Vogelperspektive den Kolleg:innen zugerufen, was wie zusammen gehört. Das geht nur von oben, denn wenn man mitten in den ausgelegten Schnittmusterteilen steht, sieht man vor lauter Stoff die richtigen Kanten und Formen nicht mehr.

Dann verstehe ich die Nervosität vor dem ersten Test.
Frank Bethe: Wir haben den Rumpf aufgeblasen, noch ohne Flossen. Der ganze Wal war auf links gedreht, die Nähte waren also außen. Darum sah der Wal etwas lädiert aus, fast ein bisschen vernarbt, so wie Melville Moby Dick beschreibt. Aber die Form hat gestimmt.
Und dann habt ihr ihn auf rechts gedreht?
Frank Bethe: Ja. Dabei wurden wir alle sehr klebrig. (lacht.) Das papierähnliche Material musste mit Brandschutzmittel imprägniert werden, damit es sich nicht entzünden kann. Das hinterlässt seine Spuren. Am nächsten Tag haben wir ihn ein weiteres Mal aufgeblasen und haben von Innen die Flossen angenäht.
Ihr wart im Wal drin?
Frank Bethe: Für fast zwei Stunden. Es war sehr hell und komplett weiß und ganz still. Eine eigenartige Erfahrung, vielleicht wie in einem Eistunnel. Als wir wieder aus dem Wal stiegen, schienen uns die Farben der Umwelt besonders intensiv.

Was steht jetzt noch auf dem Plan?
Frank Bethe: Die Kolleg:innen aus der Bühnentechnik werden sich mit dem Handling des Wals vertraut machen und gemeinsam mit dem Bühnenbildteam herausfinden, wie er am effektivsten aber auch optisch am eindrücklichsten aufgeblasen werden kann. Entsprechend der Erkenntnisse werden wir dann eventuell noch die eine oder andere kleine Änderung vornehmen. Was wir auch noch nicht wissen ist, wie lange es dauern wird, bis nach einer Vorstellung die ganze Luft wieder draußen ist und die Bühne abgebaut werden kann.